Proßmarker Zeiten
Dr. Gert Wille, Freundeskreis Zliuuini, Januar 2016
Auch für Proßmarke gilt, wie für fast alle unserer Dörfer, dass zwar die (bisher bekannte) schriftliche Ersterwähnung in einer Urkunde den Dorfnamen erstmals benannte aber die Besiedlung unserer Dörfer erfolgte schon oft mehrere tausend Jahre vorher. Dazu liegen aber keine schriftlichen Zeugnisse oder Nachweise vor. Hier liefert nur die archäologische Forschung Funde und Befunde, die Rückschlüsse auf das Siedlungsgeschehen der Dörfer zulassen.
Ein erster Fund, der im Zusammenhang mit Proßmarke steht, stammt aus der mittleren Steinzeit (vor ca. 5 000 bis 6 000 Jahren). Es handelt sich um eine Steinkeule mit einer Durchbohrung für den Stiel, der aber nach so langer Zeit als Erzeugnis aus Holz natürlich nicht mehr vorhanden ist.
Allerdings sind die Fundumstände (Fundort, Fundzeit, Finder und Befunde) nicht belegt. Albert Voegler, der Herzberger Lehrer und Konrektor, hatte dieses Stück einem Arbeiter abgekauft, der behauptet hatte, dass dieser so genannte Keulenkopf (oder auch „Geröllkeule“) genannt, vorher schon lange als Beschwerer in einem Gurkentopf gedient hätte. Somit gilt dieser erste Nachweis für Proßmarke nur unter dem Vorbehalt des Erbringens gesicherter Beweise, die aber noch ausstehen.
Anders sieht es dann mit der „Bronzezeit“ aus, dem Zeitraum von ungefähr vor 3 500 bis 4 500 Jahren. Rund um das heutige Dorf fanden und finden sich Überreste von bronzezeitlichen Gräbern und unbestimmten Fundstellen aus dieser Zeit. Meist werden Scherben, Lehmklumpen vom Hüttenbewurf oder Schlackenreste gefunden. Jedoch ist mit diesen wenigen uralten Funden noch keine exakte Angabe zur Lage der bronzezeitlichen Dorfstelle(n) möglich. Aus der heutigen Dorflage sind bisher keine verwertbaren bronzezeitlichen Funde aufgetaucht, was auf Grund der Jahrhunderte langen Bautätigkeit im Dorf auch nicht verwundert. Die Bauten der Bronzezeit bestanden außerdem aus leicht vergänglichen Materialien (Holz, Lehm), welche die Jahrhunderte nicht überdauerten.
Im Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit bildete sich im östlichen Mitteleuropa eine eigenständige frühe Kultur heraus- die so genannte „Billendorfer Kultur“ (benannt nach einem Fundort beim Dorf Billendorf, heute in Polen, in der Nähe von Zielona Gora gelegen). Diese bevölkerungsreiche Bauernkultur war verbunden mit dem Errichten sehr großer Burgwälle, wie z. B. die von Malitschkendorf, Kosilenzien oder bei Falkenberg/Elster.
Ältere Forscher (Oscar Schuster und Robert Behla) berichten von einem alten Wall bei Proßmarke:
Schuster 1869: „Alte Schanze bei Prossmark. Meist abgetragen“
Behla 1888: „Der Wall bei Prossmarke, fast abgetragen“.
Der Standort dieses alten Walles wurde bist heute nicht mitgeteilt, bleibt nach wie vor rätselhaft.
Nach Geländeforschungen des Freundeskreises Zliuuini könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Standort an der Landstraße zwischen Naundorf und Proßmarke, unmittelbar südlich der Straße im Wiesengelände am „Ferch“ in Betracht kommen. Hier ist noch ein ziemlich langer, vermutlich künstlich gestreckter Wallzug zu sehen. Der eigentliche ovale Grundriss wird im Luftbild (aber auch auf detaillierten Landkarten) deutlich. Das „abgetragen“ dürfte sich auf den Bereich im Wiesengelände beziehen zwecks Landgewinnung. Leider konnten bisher keine Funde sichergestellt werden, da das Gelände zur Viehhaltung genutzt wird. Auf eine „Vorburgsiedlung“ dürften Scherbenfunde auf dem Geländesporn unmittelbar östlich von diesem Wallzug hinweisen. Gräberfelder gibt es dazu in der Hebbelheide noch etliche.
Aus der sich daran anschließenden so genannten „Römischen Kaiserzeit“ (auch als germanische Phase bekannt), dem Zenit der Eisenzeit von 50 vor bis ca. 375 nach der Zeitenwende, sind dagegen etliche Fundplätze mit Siedlungsabfällen (Scherben aller Art, Lehmbrocken) sowie von Eisenverhüttungsplätzen (Eisenschlacken) bekannt. Allerdings ebenfalls nicht aus der direkten Dorflage, sondern aus den Rand- und Waldlagen. Es kann davon ausgegangen werden, dass zur Zeit der Germanen Proßmarke- wie auch die gesamte Region- relativ dicht besiedelt war.
Nach der Völkerwanderungszeit wanderten aus Osten und Südosten ab ca. 700 nach der Zeitenwende slawische Stämme in die Region ein. Jedoch war der Ackerboden von und um Proßmarke diesen slawischen Bauern zu dürftig, so dass sie auf den dortigen Höhen nicht siedelten. Erst ab Wehrhain und Schlieben finden sich slawische Siedlungsplätze, also in den fruchtbareren Niederungen.
Ab ca. 1250 bis 1300 drangen deutsche Bauern aus den westlichen Landesteilen über die Elbe nach Osten vor und kolonisierten im Auftrag der Obrigkeit das Land der Slawen, das Christentum im Gepäck.
Sie gründeten auch viele neue Dörfer nach deutschem Muster, so auch Proßmarke, ein reines deutsches Kolonistendorf, das im Jahre 1376 als „Prouismarke“ erstmals schriftlich in einer Lehensurkunde erwähnt wurde.
In der Nähe des Dorfes sind aus dem Mittelalter zwei Dorfwüstungen bekannt, Sassendorf und Wenddorf.
Sassendorf bei Proßmarke:
Die „Flur Sassendorf“ liegt relativ großflächig zwischen Proßmarke, Naundorf und Hohenbucko im Westen des betrachteten Gebietes in der Hebbelheide. Die schriftliche Ersterwähnung als „Sachsendorph“ (Dorf der Bauern aus vermutlich Niedersachsen) stammt aus dem Jahre 1377. Schon 1439 wird es als „Sachsendorff der wusten marck“, also als Wüstung bezeichnet.
Bisher ist nur ein ca. 700- 800 Meter westlich von Proßmarke südwärts in die Fichtwaldniederung ragender Bergsporn als Standort archäologisch gesichert. Dies wird durch umfangreiche Scherbenfunde des deutschen Mittelalters belegt. Auch Funde aus der Bronzezeit und der germanischen Zeit („Römische Kaiserzeit“) belegen das Alter dieses Standortes.
Wenddorf bei Proßmarke und Hohenbucko:
Im Zuge der Ostkolonisation im 13. Jahrhundert sind mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den deutschen auch slawische Bauern in die unbesiedelten Gebiete auf den östlichen Höhen des Schliebener Beckens eingewandert. Während die deutschen Bauern die typisch deutschen Angerdörfer wie Proßmarke oder Hohenbucko gründeten, siedelten die slawischen Bauern vermutlich in eigenen, benachbarten „Wendendörfern“. Diese Wenden waren inzwischen ebenfalls zum Christentum bekehrt und hatten ihre alte slawische Lebensweise und Kultur zugunsten der deutschen Lebensart weitgehend verloren. Lediglich Sprache und Familiennamen blieben noch viele Jahrzehnte erhalten.
Vielleicht handelte es sich zwischen Proßmarke und Hohenbucko auch nur um eine etwas
auseinander gezogene wendische Siedlung. Jedenfalls gibt es nordöstlich von Proßmarke und südsüdöstlich von Hohenbucko Bereiche mit intensiver mittelalterlicher Scherbenkonzentration. Dies könnten die eigentlichen Dorfstandorte gewesen sein, während das 1 bis 1,5 Kilometer breite Gelände zwischen beiden Dörfern die zugehörigen Äcker und Weiden bildete.
Schriftliche Zeugnisse stammen aus jüngerer Zeit, wie z.B. die schriftliche Ersterwähnung von 1712 schon als Wüstungsstandort.Das gesamte Gelände wurde aber schon in der Bronzezeit und der germanischen Zeit bewohnt, wie zahlreiche Funde beweisen.
Im Türkensteuerregister von 1542 sind 19 Familiennamen von Bewohnern Proßmarkes aufgeführt.
Große Zerstörungen und Verwüstungen musste auch Proßmarke im Dreißigjährigen und im Siebenjährigen Krieg erleiden.
Auch die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert forderten viele junge Menschenleben als Gefallene oder Vermisste.
Zusammenfassung von ausgewählten Zeitereignissen:
1387 Schreibweise Probestmargk (damit wird das Dorf als „Ort an der Probsteigrenze“
bezeichnet):
1376 Prouismarke/ Provismarke
1387 Probestmargk
1419 Probstmarke
1439 Probistmarke
1440 Probistmarke
1444 Probistmargk
1445 Probistmark
1446 Probistmark
1457 Probßmarke
1464 Plußmarke(s. Heimatbote Nr. 20/ 1926)
1474 Prosmarke/ Proßmargke
1467 Porstmarke (s. Heimatbote Nr. 19/ 1926)
1516 Probstmarke
1529 Brossemarck/ Brossmarck
1542 Proßmargk (19 Familien zahlen Türkensteuern)
1550 Brossemarck (s. Mitth. d. Vereins f. Hkd. Krs. Schweinitz, Nr. 28/ Mai 1902) 1555 Broßmark/ Brosmarke
1577 Prossmark/ Prossmarkt
1672 Proßmarke
1756 Prosmork(s. Geogr. Reise-, Zeitg. Lexikon, Jena, 1756, S. 237)
1757 Proßmarke
1805 Proßmark
1841 Prosmarke
1865 Prosmark/ Prossmark/ Proßmarke
1880 Prossmark
nach 1900 Prohsmarke
Das sind nur einige Beispiele der Schreibweisen, es gibt deren aber noch mehr. Die Verschiedenheit rührt vermutlich von den unterschiedlichen Ortskenntnissen der jeweils tätigen Schreiber bei den in Frage kommenden Schriftstücken her.
1398 Hans Meinken u.a. werden in einer Urkunde des Herzogs Rudolf betreffend Proßmarke genannt (Meinken gehörte gem. einer Mitteilung von 1419 zu den „Holunken zu Fuß“ in der Schliebener Burg, vermutlich einer bewaffneten
Formation des Burgherren).